Montag, 16. November 2009

Wo bleiben wir ?

Kein Geld mehr für Beerdigungen
von Michael Grandt

Aufgrund der Weltwirtschaftskrise haben immer weniger Menschen in den USA Geld, um ihre Toten zu beerdigen. Die Leichen werden einfach anonym auf der Straße abgelegt.
Detroit, die Stadt der »Autos«, die Stadt von General Motors: Durch die Krise ist jeder sechste bereits arbeitslos, Obdachlosenheime und Suppenküchen sind mit Industriearbeitern überfüllt, denn der Absturz aus der unteren Mittelklasse in die Gosse geht schnell.

Das Leichenschauhaus von Wayne County kümmerte sich bisher um Tote, die ohne Papiere auf den Straßen aufgesammelt wurden. Doch seit der Wirtschafts- und Finanzkrise ist alles anders geworden. Albert Samuels, der leitende Kriminalbeamte, wird mit einem ganz neuen Problem konfrontiert: Familien, die ihre Angehörigen nicht abholen, weil sie das Geld nicht haben und sich weigern, denn in Michigan kann niemand vom Gesetz her gezwungen werden, seine Angehörigen zu beerdigen.
Immer öfter werden die Toten einfach auf der Straße abgelegt. Etwa zehn Zugänge hat das Leichenschauhaus pro Tag. Dennoch hat Carl Schmidt, der Chef-Pathologe, Verständnis für die Menschen: »In diesen Zeiten ist das Geld so knapp, dass Leute die bittere Wahl haben: Entweder Essen auf den Tisch bringen oder Großvater beerdigen.«
Die Leichen, die als »unclaimed« (nicht abgeholt) gelten, werden dann zum »Tiefkühlen« gebracht. Niemand will sie bestatten. 500 Dollar kostet eine »Billig«-Beerdigung, aber auch die ist für viele noch zu teuer. Über die Hälfte der Toten im Leichenschauhaus von Wayne County bleiben deshalb einfach liegen.
Nun beginnt der Krieg mit der Stadt. Nach endlosen Anträgen übernehmen dann irgendwann Stadt und Bezirk eine anonyme Bestattung. Doch das kann dauern, denn auch die Kommunen sind hoch verschuldet. Manche Toten warten schon seit 2006 auf einen würdigen Abschied.
In Los Angeles gibt es ähnliche Probleme. Seit einem Jahr sinkt Monat für Monat der Umsatz der Bestattungsinstitute. Einäscherungen dagegen erleben einen Boom, denn Urnen sind billiger als Särge. Auch hier können es sich immer weniger Menschen leisten, einen Grabplatz zu kaufen oder die Beerdigungsfeier zu bezahlen. Viele sind jetzt arbeitslos.
Schon bieten Billigketten im Internet eine große Auswahl von Särgen an, oft aus Metall, meist unter 1.000 Dollar.
Die Wirtschaftskrise hat auch den Umgang der Lebenden mit den Toten im »Land der unbegrenzten Möglichkeiten« verändert.

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Quelle: Weltspiegel (ARD), Sendung vom 8.11.2009

Montag, 16.11.2009
Kategorie: Allgemeines, Wirtschaft & Finanzen
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